Das gesunde Urkorn aus dem Entlebuch

✧ 24. September 2021 ✧

Ob als Pasta, Brot oder Feingebäck: Urdinkel liegt voll im Trend. Im Entlebuch kennen die Leute die Vorzüge des urschweizerischen Getreides schon längst. Noch heute wird das wertvolle Getreide in sorgfältiger Handarbeit angebaut, gemahlen und verarbeitet.

Die Pandemie hat so manchen neuen Trend hervorgebracht. Manche haben angefangen zu nähen, andere haben das Schneeschuhwandern für sich entdeckt. Zu einem der beliebtesten Zeitvertriebe während der Coronazeit gehörte aber zweifellos das Brotbacken. Wie wärs zum Beispiel mit einem selbstgebackenem Urdinkel-Brot? Damit würden sie jedenfalls voll im Trend liegen – denn schliesslich haben die Mehlverkäufe des Schweizer Urdinkels im Pandemiejahr 2020 gegenüber 2019 um über 40 Prozent zugenommen. Diese Entwicklung spürte auch Beat Emmenegger. Der 49-Jährige führt einen Landwirtschaftsbetrieb auf der Egg in Schüpfheim. «So gross wie aktuell war die Nachfrage noch nie.» Keine Frage: Der Urdinkel erlebt ein echtes Revival.

Bis vor 100 Jahren war Dinkel nämlich das Schweizer Hauptbrotgetreide; im Entlebuch wurde das «Chorn» sogar schon um die Jahre 800 bis 900 n. Chr. angebaut. Im Laufe der Jahre verlor die Sorte jedoch an Bedeutung, weil Weizen ertragreicher ist. Heute finde eine Trendwende statt, so Emmenegger. «Die Leute haben erkannt, dass ein Lebensmittel, das langsamer wächst und weniger Ertrag abwirft, auch viele Vorteile hat.» Aus diesem Grund setzt Beat Emmenegger immer mehr auf Urdinkel.

"Gesund, lecker und leicht verdaulich"

Angefangen hat Emmenegger 2009. Die Pasta-Manufaktur Fidirulla, die in Schüpfheim Entlebucher Pasta in Handarbeit produziert, klopfte bei dem Landwirt an und fragte nach Urdinkel. Was mit kleinen Bestellmengen anfing, wurde für Landwirt Emmenegger im Laufe der Jahre zu einem immer wichtigeren Geschäftszweig. Dass die traditionelle Getreideart heute so beliebt ist, verwundert nicht: Urdinkel hat mehr Vitamine und Mineralstoffe als Weizen, und dank ungesättigten Fettsäuren und Nahrungsfasern hält das Sättigungsgefühl länger – um einiges länger. Ausserdem ist das Getreide einfacher zu verdauen als Weizen. Oder wie es Beat Emmenegger sagt: «Urdinkel ist gesund, lecker und leicht.» Eine weitere Eigenheit: Das robuste Getreide hat geringere Standortansprüche als Weizen. Urdinkel kann auch in rauen und erhöhten Lagen bis 1’400 Metern über Meer angebaut werden. «Das kommt uns im Entlebuch zugute», betont Emmenegger.

Auch optisch unterschiedet sich das Chorn von anderen Getreidesorten: Die Dinkelpflanze hat einen deutlich längeren Halm als andere Sorten. Zudem neigt sich die Ähre im reifen Zustand. Weil die Körner auch nach dem Dreschen von der Spelzhülle fest umschlossen bleiben, ist vor dem Mahlen des Getreides ein zusätzlicher Arbeitsgang notwendig: das Röllen. Bei diesem Prozess wird das Korn von seinem Schutzmantel – den Spelzen – befreit, bevor es gemahlen werden kann.

Umweltschonender Anbau

Beat Emmenegger pflanzt auf rund 10 Hektaren Urdinkel an. Dies tut er nicht nur auf seinen eigenen Feldern, sondern auch im Auftragsverhältnis bei anderen Betrieben. Wie das funktioniert, zeigt uns der Landwirt bei einem Besuch im Entlebuch. Urdinkel steht auf einem Schild am Feldrand. Was ebenfalls gleich auffällt: Überall kreucht, summt und brummt es. Schon auf den ersten Blick entdecken wir eine Vielzahl von Insekten.

«Die Biodiversität spielt beim Anbau von Urdinkel eine wichtige Rolle», bestätigt Beat Emmenegger. Der Krankheitsdruck ist gering, Pflanzenschutzmittel müssen in der Regel nicht eingesetzt werden. Urdinkel sei deshalb ein ideales Getreide für den ökologischen Landbau. Auch Schädlinge und Krankheiten bilden beim Anbau von Urdinkel in der Regel wenig Probleme. Beim Anbau hält sich Emmenegger strikte an die strengen Richtlinien der IP Suisse und der Bio Suisse. Halmverkürzer, Fungizide und Insektizide sind beim Anbau Tabu.

Viel Arbeit: Von der Saat bis zur Urdinkel-Pasta - es lohnt sich!

In der Regel werden die Knospen zwischen Mitte Oktober und Mitte November gesät, im Extremfall sind sogar Dezembersaaten möglich. Je nach Jahr und Höhenlage erfolgt die Ernte Ende Juli bis Ende August. Für die Ernte müssen die Spindeln gut brüchig und die Körner genügend trocken sein. Nach der Ernte des Urdinkel wird es in der alten Mühle Eggiwil im Emmental «geröllt», dabei werden alle Schalen des Urdinkels entfernt, damit nur das reine Korn übrigbleibt. Ein aufwändiger Schritt, der beim Weizen nicht in dieser Form anfällt. Dazu wird es auch bei den Gebrüder Iseli sortiert, gereinigt und schlussendlich auf Herz und Kern getestet.

Die wertvolle Fracht wird danach in die Wicki Mühle in Schüpfheim geliefert. In der ältesten und einzigen heute noch bestehenden Mühle der UNESCO Biosphäre Entlebuch wird das Getreide von Guido Wicki und seinem Team weiterverarbeitet. Hier wird aus dem Urdinkel in einem traditionellen und zugleich hochmodernisierten Prozess schmackhaftes Mehl hergestellt, das die Basis für verschiedene Spezialitäten bildet. Wusstet ihr, dass Weiss-, Halbweiss- & Ruchmehl im gleichen Zug produziert wird? Beim Mahlen des Korns und Beförderung durch die Mühle, wird das Mehl durch verschiedentlich feine Siebe in die 3 Mehltypen unterteilt.

Zu den Abnehmern der Mühle Schüpfheim gehören unter anderem Bäckerbetriebe aus der Region, die von Guido Wicki ihre eigenen Mehlmischungen mischen lassen, sowie die eingangs erwähnt Pasta-Manufaktur Fidirulla von Bruno Hafner. Von Urdinkel-Spaghetti über Urdinkel-Röndli (siehe Rezept weiter unten) bis hin zu farbigen Urdinkel-Blüemli oder Hörnli, bestehend aus 100% Entlebucher Urdinkelmehl: Den Kreationen sind keine Grenzen gesetzt.

Übrigens: Urdinkel liegt mittlerweile auch bei den Gourmets im Trend. Mit Urdinkel lässt sich nämlich nicht nur feines Brot oder kreative Pasta-Arten produzieren. Er überzeugt aber auch als schmackhafte Frühstücksflocken, Urdinkelgriess für Suppen und Puddings, als Kernotto oder sogar als Single Malt. Natürlich kennt auch Beat Emmenegger die zahlreichen Verabreitungsmöglichkeiten des Urdinkels. Genau deshalb schätzt er dieses Getreide so: «Wer einmal Urdinkel probiert hat, will meist nichts anderes mehr!»

Shopping à la Echt Entlebuch

Was braucht es für einen leckeren Echt-Entlebucher Pastateller? Genau, echte Entlebucher Zutaten. Dazu sind wir nach unserem Besuch bei den Entlebucher Fidirulla Pasta-Helden in die Dorf Chäsi und haben Köstlichkeiten aus der Region eingepackt: Ein grosses Stück würzigen Goldwäscherkäse, frische selbstgemachte Butter, Vollrahm und weitere Zutaten für unser Entlebucher Röndeli-Rezept.

Ach ja, die Wurst haben wir natürlich frisch von der Metzgerei Giger, in der Willi Giger mit seiner Familie und seinem Team köstliche Bauernbratwürste wurstet – perfekt für dieses Gericht.

Inspiriert durch die regionalen Zutaten, den Geschichten während unserer Besuche und den vielen Eindrücke aus der Biosphäre Entlebuch, sind wir wieder heimgekommen und haben uns ein leckeres, zugleich einfaches Gericht zubereitet. Lasst euch Urdinkel schmecken – es lohnt sich wirklich!